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Was Storytelling von den US Open lernen kann

Wenn es um Helden geht, denken viele an strahlende, starke Figuren, am liebsten ohne jeden Makel und jede Schwäche. Gerade Storytelling, dessen Ziel es ist, eine Person, ein Unternehmen oder ein Produkt ins rechte Licht zu rücken, vergisst gerne, dass vor dem Triumph der Schmerz wartet – und dass manche Geschichte die Zielgruppe ohne Triumph sogar mehr berührt.

Eine historische Chance

Eindrucksvoll demonstriert hat das gestern das Finale der US Open zwischen Novak Djokovic und Daniil Medvedev, das letzterer glatt in drei Sätzen gewann. Damit verhinderte er, dass Djokovic als erster Mann seit über 50 Jahren den Grand Slam, den Sieg bei allen vier großen Turnieren in einem Jahr, erreichte.

Doch die Sympathien und Schlagzeilen gehörten dem Verlierer.

Der ungeliebte Held

Das war nicht immer so. Als der Serbe vor zwei Wochen seine Mission begann, feuerten die Zuschauer in New York seinen Gegenspieler frenetisch an. So laut, dass sich selbst der nicht an Sympathie des Publikums gewohnte Djokovic wunderte. „Natürlich wünscht man sich die Zuschauer hinter sich. Das aber ist nicht immer möglich“, erklärte er nach dem Match nüchtern.

Das Unmögliche möglich machen

Am Sonntag im Finale sah das anders aus. Mitte des 3. Satzes, Medvedev hatte die ersten beiden Sätze klar für sich entschieden, brach der Serbe in Tränen aus. Schon zuvor hatte das New Yorker Publikum ihn bedingungslos unterstützt. Dabei hatte er an diesem Tag nicht den Hauch einer Chance. Zu schwer wog die Last der historischen Chance.

„Natürlich, die New Yorker wollten Zeuge eines historischen Augenblicks werden, aber gleichzeitig fühlten sie mit Djokovic mit, wollten den tragen, dessen Beine für einen weiteren „Mount Everest“ einfach zu schwer geworden waren. Fast schon verzweifelt feierten sie im dritten Satz jeden Punktgewinn von Djokovic“, beschreibt Stefan Petri die Situation auf Spox.

Beide Bilder: USTA

Der glücklichste Mensch der Welt

Bei der Siegerehrung kamen Djokovic erneut die Tränen. „Auch wenn ich das Match heute nicht gewonnen habe, ich bin der glücklichste Mensch auf der Welt“, erklärte er.

Vielleicht strahlte er nicht im Triumph des historischen Erfolgs, aber das Publikum liebte ihn dafür nur noch mehr. Denn nicht der Sieg zählt, sondern der Schmerz auf dem Weg dahin. Auch deswegen sind Storytelling und Sport ein „Perfect Match“. Für alle anderen, die professionell Geschichten erzählen, sei es im Storytelling oder in Belletristik und Fiction, ist das gestrige Finale eine Erinnerung daran, dass der Triumph das Publikum oft weniger berührt als der schmerzhafte Weg dahin. Und manchmal das Scheitern.

Denn Geschichten erzählen nicht von Gewinnern. Geschichten erzählen von Gefühlen.

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