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Bücher, die nicht nach Lehrer klingen

Dieser Tage sorgen Neuauflagen der Kinderbücher des englischen Schriftstellers Roald Dahl für Aufregung. Der britische Puffin Verlag hat laut dem britischen Telegraph nach einem Sensitivity Reading hunderte Änderungen vorgenommen. Bestsellerautor Matt Haig sieht darin ein Problem, das viel mit dem Wesen von Stories zu tun hat.

Junge Menschen mögen im Allgemeinen riskante Dinge. Ihr präfrontaler Kortex muss sich erst noch voll entwickeln, so dass sie einen Haufen Fantasie und null Vorsicht haben.

Matt Haig auf Instagram

Bücher gehören nicht unbedingt zu den riskanten Dingen. So hört die Hälfte aller englischen Jungen irgendwann zwischen 11 und 14 Jahren auf zu lesen. Auch in Deutschland sinkt der Anteil lesender Jugendlicher seit Jahren. Laut einer Studie des Börsenblatts nimmt nicht einmal ein Drittel der Jugendlichen überhaupt noch freiwillig ein Buch in die Hand.

Folgt man Haig, werden Entscheidungen, wie sie jetzt der Puffin Verlag getroffen hat, diese Entwicklung beschleunigen.

Das Problem ist, dass der Rest der Medienindustrie, mit der Teenager in Berührung kommen – Videospiele, Filme, YouTube usw. -, nicht diese fehlgeleitete Ernsthaftigkeit aufweist.

Matt Haig auf Instagram

Die Konkurrenz für das Buch ist groß und die Geschichten, die dort erzählt werden, machen Heranwachsenden offenbar ein wesentlich attraktiveres Angebot. Weniger korrekt, weniger sensibel, spannend und vielleicht sogar ein bisschen verboten. Oder wie Haig es ausdrückt:

Ich lebe mit zwei Teenagern zusammen. Selbst unserer Tochter fällt es manchmal schwer, Bücher zu finden, die nicht zu sehr nach Lehrerin klingen.

Matt Haig auf Instagram

Ohnehin sieht er die Ursache für die Änderungen des Puffin Verlags weniger in dem Bemühen der Generation Z für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, sondern vielmehr im Profitstreben des Verlags.

Jetzt machen sich die alten Leute, die für die Roald-Dahl-Cashcow verantwortlich sind, Sorgen, dass die Generation X nicht will, dass ihre Nachkommen der Generation Z unangenehme Dinge lesen, weil Bücher dazu da sind, UNS GUT zu tun.

Matt Haig auf Instagram

Damit rührt er an einem zentralen Problem. Geschichten, egal ob in Buchform, als Serie oder Game, haben tatsächlich nicht die Aufgabe uns gut zu tun. Sie ermöglichen es uns vielmehr Erfahrungen zu machen, auf die wir im wirklichen Leben vielleicht gerne verzichten würden.

Niemand will ernsthaft von einer Hexe in eine Maus verwandelt werden und in dieser Gestalt um sein Leben kämpfen, wie in Roald Dahls Klassiker „Hexen hexen“. Aber jeder von uns kennt und fürchtet die Erfahrung klein und wehrlos zu sein – und sucht in Geschichten nach Möglichkeiten diese zu überwinden.

Dafür müssen Geschichten böse sein können. Andernfalls stehen wir irgendwann hilflos vor der Bösartigkeit, die Menschen manchmal zu eigen ist. Weil wir nicht gelernt haben, mit ihr umzugehen. In Büchern und Geschichten.

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