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Theater in der Krise: Storytelling vs. Publikumsschwund

Das Theater steckt nach Corona in der Krise. Die Zuschauer bleiben aus. Kann Storytelling helfen, das Publikum zurückzugewinnen?

Geschichten erzählen nicht von Ereignissen, sondern davon, was diese Ereignisse mit den Menschen machen, denen sie widerfahren. Was kostet es diese Menschen (vor allem emotional), Ereignisse zu bewältigen? Das ist die Frage, die uns als Publikum bei der Stange hält.

In meinen Workshops, Coachings und Seminaren werde ich nicht müde darauf hinzuweisen, egal ob es um Romane, Drehbücher, Marketing/Kommunikation oder Lehre geht.

Denn es gilt für die älteste schriftlich überlieferte Geschichte der Menschheit, das babylonische Gilgamesch-Epos, ebenso wie für den letztjährigen koreanischen Netflix-Erfolg „Squid Game“. Es gilt aber ebenso fürs Marketing, wie folgendes kleines Beispiel belegt:

Und ebenso gilt das für die Dramen William Shakespeares, die fast modellhaft die Gefühlswelt ihrer Figuren enthüllen, sei sie von Liebe, Eifersucht, Machtgier, Rachsucht oder Zweifel geprägt. Seit 500 Jahren sind sie von den Spielplänen der Bühnen auf der ganzen Welt nicht wegzudenken.

Denn auch im Theater sucht das Publikum emotionale Erfahrungen, an denen es teilhaben kann, wie es der Psychologe Dirk Blothner für das Kino beschreibt:

Die Menschen gehen nicht ins Kino, um eine Geschichte zu sehen. Sie nehmen Geschichten zum Anlass, eine bedeutende Erfahrung zu machen.

Dirk Blothner: Erlebniswelt Kino

Aktuell aber scheinen die Leute nicht zu glauben, im Theater diese Erfahrungen machen zu können. Seit Corona bleiben die Zuschauersäle leer. Mit Sicherheit liegt dies zum Teil in einer generell größeren Skepsis gegen Live-Veranstaltungen, auch andere Branchen haben mit diesen Problemen zu kämpfen.

Allerdings ist das Theater davon stärker betroffen, erläutert Stefan Keim in einem Radiobeitrag für den WDR.

WDR 5 Scala: Die Rückgewinnung des Publikums

Glaubt man Keims Beitrag, wissen Theatermacher aus Befragungen durchaus, was das Publikum sucht. Allein die Umsetzung gelingt nicht so recht. Und wenn ein Theaterintendant und Regisseur in Keims Beitrag despektierlich davon spricht, dass die Leute offenbar „lieber Netflix glotzen“, gibt es noch viel zu lernen. Die Leute glotzen nicht, sie finden bei Netflix die Erfahrungen, die sie im Theater nicht finden.

Dabei bietet das Theater als Live-Event und – trotz derzeitiger Skepsis – auch als Gemeinschaftserlebnis immer noch viel und besitzt ein starkes Alleinstellungsmerkmal.

Eine stärkere Hinwendung zum Storytelling und der Frage, welche Emotionen dieses Erlebnis bieten soll, bietet einen Ausweg aus der aktuellen Krise. Ob es den deutschen Theatern gelingt, diese Frage zu beantworten, entscheidet möglicherweise darüber, ob sie eine Zukunft haben.

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(Beitragsbild: David Mark)