Heldenreise, Masterplots, 3-Akter, 5-Akter, 7-Akter, „a teaser and four acts“, „Save the cat“ – das Angebot an Storystrukturen scheint unermesslich zu sein. Zieht man Neurowissenschaften zu Rate, vereinfacht sich das Angebot – und du bekommst eine klare, sinnstiftende Struktur als Werkzeug an die Hand.
Journalist und Autor Jonathan Gottschall weist in seinem auf Deutsch leider nie erschienenen Buch „The Storytelling Animal“ darauf hin, dass Geschichten für unser Gehirn Achterbahnfahrten des Kontrollverlust seien.
Kontrolle, so Gottschall weiter, ist das „Himmelreich für Gehirne“. Tatsächlich ist unser Gehirn und unser gesamter Wahrnehmungsapparat darauf ausgelegt, unsere Umgebung zu kontrollieren: Droht mir Gefahr?, lautet die zentrale Frage des Überlebens. Alles, was neu, unbekannt und unkontrollierbar ist, könnte unser Überleben in Frage stellen, glaubt unser Gehirn.
Gleichzeitig ist es verrückt nach Veränderungen, nach Neuem, nach Fremden. Es strebt danach, all das zu ergründen, zu verstehen und – ebenfalls zu kontrollieren.
So erklärt sich unser seltsames Verhältnis zu Neuen und Fremden, aber auch unsere Faszination für Geschichten. Sie erlauben Erfahrungen von Kontrollverlust, die wir in der Wirklichkeit nie erleben möchten (oder nach denen wir uns verzehren)
Betrachten wir Storystrukturen aus neurowissenschaftlicher Perspektive als Erzählungen über Kontrollverlust, ergibt sich folgendes, grundlegendes Storymodell:
Das Modell weicht nur wenig von den bekannten Mustern ab. Interessant ist die inhaltliche Betrachtung des klassischen 3-Akt-Modells.
Die Exposition zeigt die Welt der Figur, wie sie sie kennt oder besser glaubt zu kennen.
Das auslösende Ereignis, das die Geschichte in Gang setzt, zerstört diese Illusion von Kontrolle und setzt die Figur dem Kontrollverlust, dem Chaos aus.
Der in der Drehbuchdramaturgie gerne als 2. Plot Point betitelte Wendepunkt zwischen dem 2. und 3. Akt ist ebenfalls inhaltlich definiert. Es ist die Erkenntnis, mit der die Figur glaubt, die Kontrolle wiedergewinnen, ihr Leben in Ordnung bringen, zu können.
Im Finale muss sie beweisen, dass sie dazu in der Lage ist und die Kontrolle, diesmal wirklich erlangt hat.
Geschichten versprechen dem kontrollsüchtigen Gehirn also einen Erkenntnisgewinn: Wie schaffe ich es auch in den chaotischsten Zuständen Kontrolle zurückzugewinnen. Das ist eines ihrer wichtigsten Erfolgsgeheimnisse.
Bei einem Thriller erscheint das einfach und einleuchtend, aber bei einer Liebesgeschichte? Natürlich gilt das Kontrollverlust-Modell auch (und vielleicht gerade) für Love Stories. Eine neue Liebe stürzt uns schließlich nicht selten in ein Gefühlschaos – und auch die Komödie oder das Drama zeigen uns Figuren, die die Kontrolle verlieren.
Kannst du deine Geschichte als eine Achterbahnfahrt des Kontrollverlustes erzählen? Ich bin überzeugt, das hilft dir weiter. Es erlaubt dir jedenfalls einen neuen Zugang in die Köpfe (und Herzen) deines Publikums.
Willst du mehr wissen oder steckst du mitten im Chaos?
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