Zum Inhalt springen

Die Frau hinter den ???

Gute Bücher leben vom Kürzen. Es trifft einzelne Wörter, Sätze, Absätze und manchmal auch ein ganzes Kapitel. Das ist das Schmerzhafteste. Umso schöner, dass ich heute aus aktuellem Anlass ein gestrichenes Kapitel aus „Vom Mythos zum Selfie“ nachreichen kann.

Denn in dieser Woche vor 60 Jahre erschien in den USA der erste Band der Buchreihe „The Three Investigators“, die erst in Deutschland so richtig erfolgreich werden sollte. Unter dem Titel „Die drei ???“ eroberte sie als Hörspielreihe seit Ende der 1970er Jahre deutsche Kinderzimmer. Maßgeblich daran beteiligt war (wer „Vom Mythos zum Selfie“ schon kennt denkt vermutlich ’natürlich‘) eine Frau: Heikedine Körting war seit den 1960er Jahren für die gesamte Produktion der Plattenfirma Europa zuständig, der Heimat der „???“.

Schallplatten zum Taschengeldpreis

Das Guiness-Buch der Rekorde führt Heikedine Körting als Deutschlands erfolgreichste Märchentante. Grund: Über 2000 Hörspiele hat die Regisseurin seit den 1960er Jahren produziert und während das Hörspiel durch die Konkurrenz des Fernsehens in den meisten Ländern eher ein Schattendasein führt, hat es sich im deutschen Sprachraum erfolgreich gehalten und selbst die Konkurrenz der Spielekonsolen überlebt. Allerdings nicht im Radioprogramm. Allenfalls noch zwei Prozent aller Hörer schalten ein, wenn Hörspiele ausgestrahlt werden. Der Boom findet woanders statt.

Mitverantwortlich für diesen Erfolg ist Körtings späterer Ehemann. Der Musikwissenschaftler Andreas E. Beurmann gründete 1961 mit zwei Geschäftspartnern das Hörspiellabel Europa. Seine Idee: Kindgerechte und unterhaltsame Hörspiele mit didaktischem Anspruch zu produzieren, die Kinder mit Einblendungen klassischer Musik ans Hören und Musizieren heranführen sollten. Zunächst produzierte Europa vor allem mit Musik unterlegte Lesungen, unter anderem von Grimms Märchen. Sensationell für damalige Verhältnisse – und ein Schock für die Konkurrenz – war der Verkaufspreis, der auf Schallplatte veröffentlichten Produktionen. Sie kosteten bis in die siebziger Jahre hinein 5 Mark, nicht einmal ein Drittel des Preises einer normalen Langspielplatte. Und auch wenn die meisten Exemplare in den ersten Jahren vermutlich von den Eltern gekauft wurden, orientierten sie sich mit diesem Preis doch am Taschengeldbudget ihrer jungen Zielgruppe.

Heikedine Körting als alles begann…

Heikedine Körting schrieb Ende der 1960er Jahre ihre ersten Skripte für Europa, Bearbeitungen zweier Märchen des dänischen Schriftstellers Hans Christian Andersen. Vier Jahre später erhielt sie die alleinige Verantwortung für die Hörspielproduktion von Europa. Da produzierte die Firma bereits nicht mehr nur Lesungen mit Musik, sondern hatte sich auf das Herstellen eigener Geschichten spezialisiert, die dramatisiert und mit verteilten Rollen teilweise aufwendig inszeniert wurden.

Europas Erfolgsformat schlechthin allerdings stammte aus Amerika. Anfang der 1960er Jahren entwickelte der Autor Robert Arthur die Buch-Serie „The Three Investigators“, eine Krimiserie, die sich gezielt an Jugendliche richtete. In deren Mittelpunkt standen drei junge Detektive, deren Hautpquartier ein ausrangierter Wohnwagen auf einem Schrottplatz am Rande der fiktiven Stadt Rocky Beach darstellte. Um die Erfolgschancen seiner Serie zu erhöhen, überzeugte Arthur den berühmten Filmregisseur Alfred Hitchcock dazu, der Serie seinen Namen zur Verfügung zu stellen. Insgesamt elf Bücher schrieb der Autor, ehe er 1969 starb.

Die Idee, „The Three Investigators“ als Hörspiel zu adaptieren, kam erst in Deutschland auf, und erwies sich für Europa als der Volltreffer schlechthin. Unter dem Namen „Die drei ???“ startete die Serie 1979, prägte die Jugend der 1980er Jahre und läuft bis heute mit stetigem Erfolg. Selbst eine kurze Krise in den 1990er Jahren, als Gameboys und Fernsehen dem Format arg zusetzten, überlebte sie.

mit den Sprechern in jungen Jahren

Ähnlich wie „A Comedy of Danger“ dachten auch die Macher der „Drei ???“ ihr Publikum mit. Während im BBC-Hörspiel von 1924 die Figuren wie ihre Zuhörer nichts sehen und nur hören, stehen in der Erfolgsserie junge Figuren im Alter ihres Zielpublikums im Zentrum und erfüllen deren Wunsch nach Geheimnissen und Abenteuern. Dabei passte sich die Welt rund um den Schrottplatz von Rocky Beach immer wieder der sich verändernden Lebenswelt der jungen Käufer an. Computer tauchten auf, Handys und das Internet wurden selbstverständlich. Und ebenso selbstverständlich wurden neue Vertriebswege. Denn die Zielgruppe kauft schon lange keine Schallplatten mehr. Stattdessen gab es „Die drei ???“ seit den 1980er Jahren bereits auf Kassette und später als Download oder Streamingangebot. Dabei besteht das Publikum  heute nicht mehr nur aus Jugendlichen. Vor allem die Generation, die in den 1980er Jahren jung war, hört weiter „Die drei ???“. Dazu passt, dass die drei Hauptcharaktere immer noch von den gleichen Sprechern gesprochen werden, die mit ihrem Publikum erwachsen geworden sind, wenngleich zum Glück nicht ganz.

auf Tour

Anfang der 2000er Jahre kam eine neue Form der Hörspielproduktion dazu. Auf einer mehr als 50 Städte umfassenden Tournee wurde das Hörspiel „Master of Chess“ von den Originalsprechern live vor Publikum aufgeführt. Was einmal im Radio als Adaption eines Bühnenstückes begann, kehrte 80 Jahre später als Hörspiel auf die Bühne zurück. 2010 schaffte es Heikedine Körting zum zweiten Mal in das Guiness-Buch der Rekorde. Das auf der Berliner Waldbühne aufgeführte Stück „??? und der seltsame Wecker“ sahen und hörten über 15.000 Zuschauer. Weltrekord.

Du bist neugierig auf das Buch geworden? Klick aufs Cover!

Folgende Beiträge könnten dich ebenfalls interessieren:

alle Bilder aus dem Download-Bereich der ???: