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Erzählt die besseren Geschichten!

Wie Storytelling gegen FakeNews helfen kann

Ratlos und empört starrt man auf sein Smartphone oder Computer. Wieder hat jemand eine wilde Verschwörungstheorie oder abstruse Fake-News verbreitet. Man will darauf reagieren, klar machen, dass das doch Unsinn ist, dagegen argumentieren. Und schon ist man dem Urheber der Theorie in die Falle gegangen.

Erfolgreiche Fake-News sind virale Stories

Warum? Um das zu verstehen, hilft es Fake-News und Co. als das zu begreifen, was sie sind: Stories. Und zwar höchst erfolgreiche Stories. Denn was zeichnet eine erfolgreiche Geschichte aus? Erfolgreich ist eine Geschichte, wenn sie jeder kennt. „Harry Potter“ ist eine erfolgreiche Buchreihe, selbst Menschen, die weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen haben, wissen in groben Zügen, worum es geht. Auch „Aschenputtel“ ist eine erfolgreiche Geschichte. Nicht nur dass sie jeder kennt, sie wird auch bis heute immer wieder erzählt. Eltern lesen sie ihren Kindern vor, es gibt Verfilmungen und Adaptionen, auf seine eigene, altmodische Art ist „Aschenputtel“ viral.


So wie Fakes-News und Verschwörungstheorien im Internet. Ähnlich wie Märchen leben auch sie davon, dass sie immer wieder erzählt, adaptiert und verbreitet werden. Darin liegt ihr Erfolgsgeheimnis.
Und damit stellen sie Menschen, die sich dieser Verbreitung entgegen stehen wollen, vor ein Dilemma. Jeder Kommentar, jede Widerlegung, jede Empörung leistet einen Beitrag zum Erfolg der Story.
So als würde man mit einem brennenden Stuhlbein aus einem in Flammen stehenden Haus hinausrennen, ins Nachbarhaus hinein und rufen: „Guckt mal, nebenan brennt’s!“ Einen kurzen Augenblick später hat sich das Dilemma vollendet: „Oh, bei euch jetzt auch.“


Eine kleine Einschätzung aus eigener Erfahrung: ca. 90% aller Verschwörungstheorien, die ich im Zusammenhang mit Corona kenne, habe ich von Leuten gehört, die diese Theorien ablehnen. Die anderen 10% von Nachrichtenseiten, die das ebenfalls tun.

Für Fake-News ist jede Reaktion eine gute Reaktion


Was also tun, wenn man z.B. auf eine Verschwörungstheorie trifft, wie sie gerade in der Corona-Krise wie Pilze aus dem Boden schießen und sich rasend schnell verbreiten?
Es fällt schließlich schwer, grobem, möglicherweise sogar gemeingefährlichem Unfug nicht zu widersprechen. Gerade wenn man sieht, wie stark sich dieser Unfug schon verbreitet hat.


Ist Ignorieren eine bessere Strategie? Vielleicht. Aber es widerspricht unserem Bedürfnis nach Sicherheit. Wir fühlen uns von Fake-News und Verschwörungstheorien bedroht. Wer will schon in einer Welt leben, die von irrationalen Gedanken und Überzeugungen bestimmt wird und damit unberechenbar zu werden droht (außer denen natürlich, die sich in dieser chaotischen Welt als Retter und Ordnungshüter aufspielen wollen)? Auf die Story zu reagieren, gibt uns das Gefühl, sie zumindest ein kleines bisschen unter Kontrolle zu bringen. Vielleicht lässt sich ja doch jemand überzeugen?
Seien wir ehrlich: Diese Hoffnung ist vermutlich so realistisch wie die Geschichte, auf die sie reagiert. Leute machen nicht selten zu und beharren auf ihren Ansichten, wenn man versucht ihnen klar zu machen, dass sie irren. Wer gibt schon gerne zu, dass er unrecht hat?

Stattdessen besser die eigenen Stories erzählen


Die Lösung ist etwas mühsamer als ein kurzer Post über die eigene Empörung. Vor einiger Zeit begründete der ehemalige griechische Finanzminister Yanis Varoufakis in einem Interview den Vormarsch rechter und den Niedergang linker Parteien mit einem resignierten „Die Linke erzählt zur Zeit keine gute Geschichte“.
Man sollte vielleicht besser sagen: Sie erzählt keine erfolgreiche Geschichte. Dabei sind gute Geschichten, bessere Geschichten das erfolgversprechendste Mittel gegen Fake-News und Verschwörungstheorien.


Als der Mönch Bonifatius sich im 8. Jahrhundert aufmachte, um in Germanien das Wort Gottes zu predigen, stieß er in Geismar auf die nur schwer zu überzeugenden Friesen. Sie wollten von ihrem Glauben nicht ablassen, also machte er sich selber zur Hauptfigur einer Geschichte. Er würde, so verkündete er den skeptischen Friesen, die dem Gott Donar geweihte heilige Eiche fällen. Denn Donar könne ihm nichts anhaben, weil sein Gott, seine Geschichte weit mächtiger sei. Die Friesen blieben skeptisch, ließen Bonifatius aber gewähren. Der Mönch fällte die Eiche und gebannt warteten alle (bis auf den Mönch) auf Donars Strafe. Dass sie ausblieb, beeindruckte die Friesen zutiefst und sie ließen sich in der Folge bereitwillig bekehren (Die Geschichte wird übrigens heute noch gerne erzählt, aber das nur am Rande).
Bonifatius hatte den Germanen nicht bewiesen, dass sie Unrecht hatten, er hatte ihren Gott und Glauben nicht einmal kritisiert. Er hatte einfach gezeigt, dass sein Glaube (seine Geschichte) stärker war.


Bessere Geschichten, von denen z.B. die Realität der Corona-Krise weiß Gott genug bietet, sind auch ein hervorragendes Mittel, Fakes-News zu verdrängen. Sie zu erzählen, zu verbreiten, zu teilen, zu kommentieren und zu liken, ist eine der besten Strategien, die wir haben.
Das erstaunlich ist eigentlich, dass wir das so selten tun. Stattdessen lassen wir uns von Fake-News und Verschwörungstheorien die Themen vorschreiben, über die wir im Internet diskutieren. Dabei hätten wir viel Besseres anzubieten und müssten nicht auf den negativen Sog hereinfallen, in den wir mit unserer Empörung gelockt werden.


Anstelle bei nächster Gelegenheit eine Verschwörungstheorie empört zurückzuweisen (und damit zu verbreiten) sollten wir also eher eine Geschichte erzählen oder verbreiten, die unsere eigenen Überzeugungen widerspiegelt. Dann können wir die Fake-Nachrichten nämlich einfach links liegen lassen. Wir haben die besseren Geschichten.

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