Es ist einer der Klassiker zur Weihnachtszeit und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern. Dabei fehlt dem tschechoslowakisch-deutschen Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ein wesentliches Motiv eines Weihnachtsfilmes: das Weihnachtfest.
Trotzdem versammeln sich Jahr für Jahr um die Weihnachtstage Millionen Zuschauer meist am Nachmittag vor ihren Fernsehgeräten. Für sie gehört der Film zu Weihnachten wie Tannenbaum und Krippe.
Um das zu verstehen, widmen wir uns zunächst einmal einer Tasse Kaffee. Der französische Werbefachmann Clotaire Rapaille hat sich darauf spezialisiert, die archaischen Verbindungen zwischen Waren und Menschen zu entschlüssen, er decodiert, wie er sagt, Kulturen. In Amerika etwa ist das Aroma für den Erfolg eines Kaffees entscheidend. Amerikaner verbinden mit ihm frühkindliche Erinnerungen an das Frühstück im sicheren Kreis der Familie. „Der Code von Kaffee ist Aroma und dieses Aroma verbinden wir mit zu Hause.“
Rapailles Betrachtungsweise hilft uns, den weihnachtlichen Erfolg der drei Haselnüsse zu erklären. Mag Weihnachten manchem ein verdammenswerter Konsumrausch sein, andere die christliche Tradition des Festes vermissen, die Kultur des Weihnachtsfestes, das Ideal dieses Festes, spiegelt sich in vielem, was „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ auszeichnet. Dass manches davon dem Zufall geschuldet ist, mag den Dramaturgen ärgern, tut der Wirkung des Films aber keinen Abbruch.
Zuallererst ist Vaclav Vorliceks Film eine Märchenverfilmung. Die Geschichte ist jedem seit Kindertagen vertraut. Das erste Mal ist sie jedem von uns vermutlich im Familienkreis begegnet. Sich im Erwachsenenalter vor den Fernseher zu setzen und ein Märchen zu schauen, hat etwas Familiäres. Es passt zum Familienfest Weihnachten und bringt uns zurück in die Zeit, als wir den Weihnachtsabend mit großen Kinderaugen erwarteten.
Was uns im Film begegnet, entspricht dem, was wir mit einem gelungenen Weihnachten verbinden: ein großes Fest in einer malerischen, Schnee bedeckten Winterlandschaft voller Tannen und am Ende siegt die Liebe über alle familiäre Unbill.
Dass oftmals Kleinigkeiten und Zufälle über die Erfolgsgeschichte eines Filmes entscheinen, dafür ist „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ ein wunderbares Beispiel. Man stelle sich den Film ohne Schnee vor und dächte nicht im Traum daran, ihn zu Weihnachten zu schauen. Doch gedreht werden sollte ursprünglich im Sommer. Erst als Regisseur Vorlicek eine Winterlandschaft des Malers Peter Breughel sah, entschied er sich, ihn im Schnee spielen zu lassen. Dramaturgische Planung geht (zum Glück) anders.
Selbstverständlich spielt auch die Magie, das märchenhafte Wunder, an das wir zu Weihnachten besonders gerne glauben wollen, eine wichtige Rolle: drei Zaubernüsse erlauben Aschenbrödel das Herz ihres Prinzen zu gewinnen. Nüsse, wie wir sie auf jedem Weihnachtsteller finden. Und wer weiß schon, ob die Nüsse, die da auf dem eigenen Weihnachtsteller liegen, wirklich gewöhnliche Nüsse sind?
(Der Beitrag erschien ursprünglich in der Reihe „dramaturgisch gesehen“ in der Zeitschrift Film- und TV Kameramann)