Die Hauptfiguren: Eine feministische Journalistin und ein sexistischer Rapper.
Der Schauplatz: Paris in der Weihnachtszeit.
Das Genre: Romantische Komödie.
Wetten wir, du weißt, wie das ausgeht?
Natürlich weißt du das. (+++ Achtung SPOILER! +++) Sie kriegen sich. Nicht nur bei „Christmas Flow“, der dreiteiligen französische Weihnachtsserie auf Netflix, um die es hier geht, wissen wir im Vorfeld, wie die Geschichte ausgeht. Trotzdem schauen wir es uns an.
Das vorhersehbare Ende
Wie kann das sein? Schließlich gilt das überraschende Ende als unverzichtbarer Bestandteil bis zum Schluss spannenden Erzählens.
Warum sehen wir Krimis, von denen wir wissen, dass der Mörder am Ende gefasst wird? Sogar wenn wir wissen, wer der Mörder ist. Serien wie Columbo oder Luther machen kein Geheimnis daraus und wurden internationale Erfolge.
Die antike griechische Tragödie lebte von dem Entsetzen, das der vorhersehbare, oft aus der Mythologie bekannte Tod des Helden auslöste – und dass Grimms Märchen immer ihr gutes Ende finden, wissen wir auch.
Spielt das Ende gar keine so große Rolle?
Das wäre zu einfach. Ob uns eine Geschichte gefällt, entscheidet sich in der Tat früh. Untersuchungen zeigen, dass wir innerhalb der ersten zehn Minuten eines Films unser Urteil fällen, ob wir den Film gut finden oder nicht. Als Drehbuchlektor ist man mit der Faustregel vertraut, dass man nach zehn Seiten weiß, ob ein Drehbuch funktioniert.
Nichtsdestotrotz hält uns die Frage „Wie geht es aus?“ bei der Stange. Denn auch wenn wir grundsätzlich eine Vorstellung haben, wie die Geschichte endet, bleibt ein Restzweifel. Viel wichtiger jedoch:
Nicht ob, sondern wie
Es geht nicht darum, ob sich die Journalistin Lila und der Rapper Marcus am Ende kriegen. Es geht darum, wie sie das schaffen. Welche Umwege müssen sie gehen? Was kostet es sie emotional zu erkennen, dass der andere der richtige ist? Wie lösen sie ihre Gegensätze?
Ähnliche Fragen stellen wir beim Krimi: Wie schafft es Luther, den Mörder zur Strecke zu bringen?
Entscheidend ist nicht, ob ein Problem am Ende gelöst wird, sondern wie. Hier findet die überraschende Wendung ihren Platz. Mit ihr zeigt die Geschichte ihrem Publikum Lösungsmöglichkeiten auf, die es sonst nicht erkannt hätte. Nicht umsonst liegt für viele Neurowissenschaftler der Nutzen von Geschichten in den Möglichkeiten, die sie aufzeigen. Für sie sind Geschichten „Abenteuer ohne Risiko“ und ermutigen, sich auch im eigenen Leben Ungewöhnliches zu trauen. Geschichten sind Blaupausen für richtiges Verhalten.
Dass am Ende herauskommt, was wir am Anfang erhoffen, steht dem nicht im Wege. Ganz im Gegenteil! Dass eine so unwahrscheinliche Liebe wie die von Lila und Marcus in Christmas Flow möglich ist, stärkt den Glauben daran, dass eine solche Liebe für jeden erfahrbar ist.