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Warum die CDU nicht den Kanzler stellt

Olaf Scholz ist Bundeskanzler. Sein Konkurrent Armin Laschet, fast ein wenig in Vergessenheit geraten, gilt vielen als der Mann, der die Wahl in einem personalisiert geführten Wahlkampf verloren hat. Doch das ist nicht die ganze Geschichte.

Entscheidend für die Niederlage der CDU: Sie konnte ihr eigenes Narrativ nicht mehr erzählen. Um zu verstehen schauen wir zunächst zurück, wie die Union in den letzten 70 Jahren Wahlen gewonnen hat.

Anders als SPD, Grüne und F.D.P., die gerade in diesem Wahlkampf mit einem klaren programmatischen Fokus Gewinne erzielen konnten (soziale Gerechtigkeit, Kampf gegen den Klimawandel, Modernisierung) war die CDU nie eine Partei mit einem besonders ausgeprägten programmatischen Profil. In ihrem Selbstverständnis als Volkspartei will die Union für jeden wählbar sein. Die Union setzt nicht aufs Programm, sondern auf ein klares Narrativ – und das nahezu unverändert seit über 70 Jahren. Die „Brand Story“ der CDU lautet kurz:

„Wählt uns! Wir garantieren stabile Verhältnisse.“

Anders gesagt: Die CDU verspricht Sicherheit durch Beständigkeit.
Damit zieht sie seit den 1950er Jahren in den Wahlkampf. Adenauers „Keine Experimente“ steht dafür ebenso wie Angela Merkels Satz „Sie kennen mich“ aus dem Wahlkampf 2013.

Die politische Konkurrenz tritt in diesem Narrativ als Gefahr für stabile Verhältnisse auf. Wir erinnerun uns an die „Rote-Socken-Kampagne“ oder Warnungen vor „rot-grünem Chaos“.

Was aber ist in diesem Jahr für die CDU schief gelaufen?

Der Kandidat hat sicher eine Rolle gespielt. Armin Laschets Zögern und häufiges Umschwenken in der Corona-Krise, vor allem seine Auftritte in den von der Flut im Juli betroffenen Gebieten haben wenig zum Bild von Beständigkeit und Sicherheit beisteuern können. Anders etwa als das Krisenmanagement seiner rheinland-pfälzischen Kollegin Malu Dreyer (SPD).

Schwerer wogen zwei andere Faktoren:

Zum einen das schlechte Krisenmanagement der Bundesregierung in der Corona-Pandemie, insbesondere der Minister der Union. Dazu gehört die Erkenntnis, wie rückständig die viertreichste Volkswirtschaft der Welt nach 16 Jahren CDU-Regierung in vielen Bereichen ist. Klug von der F.D.P. auf das Thema Modernisierung zu setzen.

Noch klüger stellte sich die SPD an. Sie kaperte in Gestalt ihres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz das Narrativ der CDU. Als Finanzminister lieferte er in der Pandemie keine groben Schnitzer und stand mit seiner Regierungserfahrung für Beständigkeit. Programmatisch ließ er sich kaum festlegen, seine Auftritte in den TV-Triellen erinnerten viele an Angela Merkel. Genauso gut hätte man auf Helmut Kohls Agieren als Kanzler hinweisen können, von dem Merkel sehr viel gelernt hat. Scholz’ Wahlplakate, auf denen er – mit Verlaub – wirkte wie der Sparkassenwirt von nebenan (mit dem man auch mal ein Bierchen trinken kann) passten perfekt in diese Erzählung.

Zudem gelang es der SPD sich ein Narrativ zurückzuholen, das ihr seit den Hartz-Reformen immer wieder von der Linken streitig gemacht wurde, und das für viele das Kernthema der Sozialdemokraten darstellt: soziale Gerechtigkeit. Die CDU hatte dem wenig entgegenzusetzen. Programmatisch bot sie nichts an, der Kandidat wusste nicht zu überzeugen und die eigene Erzählung scheiterte an der Überforderung des CDU-Personals in der Regierung.

Für die Union ergeben sich aus dieser Niederlage drei Fragen.

  1. Schaffst sie es, das eigene Narrativ aus der Opposition heraus überzeugend fortzuerzählen?
  2. Genügt dieses Narrativ in einer sich rasch verändernden Welt überhaupt noch?
  3. Findet die Union eine Erzählung, die den Veränderungsdruck der Gegenwart mit dem Wähler-Bedürfnis nach Beständidigkeit in Einklang bringt?

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